Straßensperre

Straßenbau-Tango

Straßen-Baustellen und Tango – für mich zwei rätselhafte Phänomene. Auf dem Parkett kann ich mir aussuchen, nach welchen Rhythmen ich tanzen möchte. Auf der Straße heißt es nicht selten, sich im „langsamen Walzer“ der Verkehrsführung anzupassen und sich durch den rot-weißen Baken-Dschungel zu schlängeln. Wenn man Pech hat, fliegen einem auch noch die zweifarbigen Flatterbänder vor die Reifen. Und ständig „Rote Welle“ – zum Hörner kriegen.

Wer zum Teufel zeichnet eigentlich seit Jahren für die bescheuerten Entscheidungen in puncto Baumaßnahmen im Straßenverkehr in der Bundesrepublik Dutschland verantwortlich – unabhängig des jeweils regierenden Verkehrsministers? Mal ganz davon abgesehen, daß in Zeiten des Klimawandels und der steigenden Spritpreise Tempo 130 auf den Autobahnen nicht verkehrt wäre.

Eine nachhaltige Verkehrspolitik – und das gilt sowohl für den Auto- wie auch für den Bahnverkehr – ist heute wichtiger denn je, zumal in den vergangenen Jahrzehnten zu viel „kaputt-gespart“ wurde. Hier herrscht ein enormer Nachholbedarf.

Aber muß das sein, daß Haupt-Verkehrsadern – und davon gleich mehrere auf einmal – monatelang „vergattert“ werden und sich die Verkehrsteilnehmer durch enge Seitenstraßen und Wohngebiete quälen müssen? Oder schlimmer noch: was macht es für einen Sinn, erst mal eine neue Fahrbahndecke aufzubringen, höhere Bordsteine zu setzen und Fußwege zu begradigen, wenn plötzlich auffällt, daß ja noch Glasfaserkabel gelegt werden müssen. Ups, vergessen! Schnell noch mal wieder aufbuddeln. Und bei der Gelegenheit ließe sich ja eigentlich auch gleich das eine oder andere marode Rohr mit austauschen.

Zeit-, Ressourcen- und Steuergeld-Verschwendung! Welche Dösbaddel planen solche hirnlosen Aktionen?

Tut das Not, daß alle Jahre wieder pünktlich zu den Sommerferien in sämtlichen Bundesländern in der Haupt-Ferienzeit der Urlaubsverkehr durch unzählige, teilweise verwaiste, Autobahn-Baustellen blockiert wird, sodaß kilometerlange Blechlawinen mit genervten Insassen gezwungen sind über flirrenden Asphalt zu kriechen? Und daß ausgerechnet zur gleichen Zeit Brücken und Unterführungen unbedingt saniert werden müssen?

Wenn dann auch noch Groß-Veranstaltungen wie z. B. der Schlagermove, die Harley-Days, der Halbmarathon oder der Hafen-Geburtstag mit Straßen-Bauarbeiten kollidieren, dann ist das Chaos perfekt.

Egal, in welche Richtung man sich mit dem Auto (hin)bewegt – überall schießen die Baustellen wie Pilze aus der Erde: besonders in Hamburg. Das ist ja auch kein Wunder mit einem passionierten Radfahrer als Verkehrssenator, dessen Behörde für Verkehr und Mobilitätswende die ehrgeizigen Pläne einer auto-armen und fahrrad-freundlicheren Stadt verfolgt. Deren klima- und umwelt-politischen Konzepte – natürlich gefördert durch den Bund – unweigerlich zu vermehrten Straßenbauarbeiten in zahlreichen Bezirken mit Fahrbahn-Verengungen, oft einspuriger Verkehrsführung und manchmal sogar zu Vollsperrungen einzelner Bereiche führen. Staus im Berufsverkehr vorprogrammiert!

Ja, liebe Autofahrer: in Hamburg wird künftig geteilt! Und zwar der Straßenraum, damit sich die Aufenthaltsqualität und Sicherheit für Radfahrende und zu Fuß Gehende erhöht. Fußgängerzonen, Einkaufsstraßen, Parkanlagen und Erholungsflächen sind etwas Wunderbares. Die Schwärme an Fahrradfahrern hingegen schon hin und wieder eine Plage.

Manchmal, wenn man gerade seine bekannte Strecke befährt und es auch noch eilig hat – zack, Ende Gelände. Wohl dem, der dann einen Schleichweg aus dem Hut zaubern kann.

Auch außerhalb der Stadt begegnen einem ständig die schicken rot-weißen „Absperr-Accessoires“. Verkehrswege, die gestern noch reibungslos zu befahren waren, enden abrupt und unerwartet: Pech gehabt, Umleitung! Plötzlich ist eine Autobahn-Zu-/Abfahrt gesperrt, ein Streckenabschnitt einer Bundesstraße mit „Ziehharmonika“ abgeriegelt und die Befahrung der Hauptstraße durch’s Dorf nur für Anlieger erlaubt.

Mein Wochenend-Abenteuer gestaltete sich vor kurzem auf der Tour zu einer Freundin auch mit kleinen Überraschungen. Los geht’s …

Nach dem flinken Sprint über die Autobahn erreiche ich den ersten kleinen Ort und lande gleich vor der ersten Hürde: die Dorfstraße wird saniert – nur für Anwohner freigegeben. Das kümmert aber anscheinend niemanden, auch nicht den Gegenverkehr. Also, wurscht – Augen zu und langsam durch die Staubwolke hindurch.

Geschafft und weiter über schmale, Baum-gesäumte Buckelpisten. Links und rechts erstrecken sich unzählige Kornfelder und Weiden. Dazwischen sehe ich vereinzelt Areale mit leuchtend-blauen Kornblumen, die mich an meine Kindertage auf dem Land bei meiner Omi erinnern. Immer wieder schön, durch die Landschaft zu fahren. Zweidrittel der Strecke liegt hinter mir. Fröhlich und erwartungsvoll wähne ich in der „nahen Ferne“ das Ziel.

Doch was ist das? Nicht schon wieder: eine Barrikade direkt vor der Stoßstange. Nicht mal hier ist man vor den zweifarbigen Monstern sicher.

Wat nu? Unterwegs mit meinem alten, kleinen Auto ohne Navi und der Handy-Akku-Geist pennt in der Flasche. Ich drehe um und versuche erst mal einen anderen Weg zu finden. Nach mehreren Kilometern bin ich zurück am gleichen Punkt – so’n Schiet, im Kreis gefahren. Da bekommt das Wort „Verkehrswende“ gleich eine ganz andere Bedeutung.

Immerhin – ringsherum Natur pur. Ich mogele mich an der Absperrung vorbei und halte kurz dahinter auf der schmalen Landstraße zwischen den Getreidefeldern, mit Schweißperlen auf der Stirn, an und freue mich über den Anblick eines radelnden Bauern, der mir wie ein hilfsbereiter Engel freundlicherweise versucht, einen alternativen Weg über eine Nebenstrecke zu verklickern. Aus heiterem Himmel war er mit dem Rad’l da – Hallelujah!

Mein fragender Blick muß ihn jedoch meine Hilflosigkeit signalisiert haben, denn nun kommt’s: auch in diesem Falle kann ich ungehindert über eine „ eigentlich abgesperrte Strecke“ weiterfahren – hä? Dann noch einmal links und zweimal rechts – ah, jetzt dämmert‘s wieder: „Nur wer sein Ziel kennt, findet den Weg!“.

Wenige Minuten später rolle ich bei meiner Freundin auf den Hof – erst mal einen Kaffee.

Tango tanze an diesem Tag nicht, schaue aber später hinauf in den klaren Abendhimmel und stelle mir vor, daß es auf der Milchstraße bestimmt keine Baustellen gibt.

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